GameChanger: Michael Zoll (Leiter Competence Center @adesso mobile solutions)

Interview
10 Min. 07.11.23

Um die Vielfältigkeit von Gamification zu verstehen, muss man über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Dazu lassen wir Experten aus unterschiedlichen Branchen und Bereichen in einem Kurzinterview zu Wort kommen und erfahren so, wie sie Denkweisen, Methoden und Technologien aus der Gaming-Industrie in ihrem Unternehmen bzw. Bereich adaptieren, um erfolgreicher zu sein – echte GameChanger eben!

Hallo, ich bin Michael. Ich bin 50 Jahre alt und habe den Großteil meiner beruflichen Laufbahn in der aufregenden Welt der Games-Industrie gearbeitet, darunter bei der phenomedia, Funatics und bei Inno Games. 2018 entschied ich mich für einen Wechsel in die "seriöse" IT, genauer gesagt zu einem überregional erfolgreichen IT-Dienstleister für mobile Lösungen - die adesso mobile solutions GmbH.

Seit dem Sommer 2022 verantworte ich die strategische und operative Entwicklung von Anwendungen und Lösungen im Bereich der Extended Reality. Diese spannende Aufgabe eröffnet mir und meinem Team die Chance, die Potenziale der Extended Reality in ihrer ganzen Bandbreite zu erschließen und innovative Lösungswege zu gestalten, die einen erheblichen Mehrwert in diversen Anwendungskontexten bieten.

Während meiner ereignisreichen Zeit in der Games-Industrie hatte ich vielfältige Berührungspunkte mit geschäftlichen Aspekten, sowohl auf Publisher- als auch auf Entwicklerseite. Bei meinem Wechsel zu meinem gegenwärtigen Arbeitgeber äußerte der Geschäftsführer Bedenken, dass ich vielleicht nicht lange bleiben würde, da ich die Dynamik der Games-Branche vermissen könnte.

Tatsächlich vermisse ich die Branche in gewisser Weise, insbesondere die Zusammenarbeit mit den kreativen (und manchmal etwas chaotischen) Köpfen, mit denen ich die Freude hatte zu arbeiten. Dennoch schätze ich mein derzeitiges Unternehmen und meine aktuelle Position sehr, und daher sehe ich es als meine Aufgabe, die kreativen und technologischen Elemente, die ich aus meiner Games-Erfahrung kenne, in meine gegenwärtige Tätigkeit zu integrieren.

Wir arbeiten mit vielen Industriekunden, welche ihre über die Jahre hinweg gewachsenen Anwendungen entweder zu modernisieren oder aus zwingenden Gründen zu ersetzen. Bei der Entwicklung unserer Lösungen legen wir besonderen Wert darauf, die Benutzererfahrung - wie der Begriff selbst schon nahelegt - eng am Nutzer auszurichten. Eine der herausfordernden Fragen, die sich hier stellen, ist: Wie schaffe ich es, Mitarbeitende optimal dazu zu motivieren, die neue Lösung bestmöglich zu nutzen, insbesondere wenn sie wenig oder keine Erfahrung mit mobilen Arbeitsgeräten haben?

Gamification spielt hierzu eine essenzielle Rolle, da sie hilft, das User-Engagement zu fördern. Besonders deutlich wird dies in Virtual Reality-Applikationen mit ihrer starken Immersion. Innerhalb der von uns entwickelten Sicherheitstrainings in der Virtual Reality erlauben wir bewusst Fehler, ja wir ermutigen sogar dazu, um auf spielerische Art die Konsequenzen von Fehlentscheidungen zu erleben. Dieser Ansatz führt zu nachhaltigem Lernerfolg, der auf konventionelle Art des Trainings nicht möglich wäre.

Meine Erfahrung aus der Gaming-Industrie hilft mir bei der Gestaltung virtueller Umgebungen. Eine der zentralen Herausforderungen liegt darin, den Benutzer in einer VR-Umgebung zu führen. Wie kann ich ihn beispielsweise dazu bewegen, sich umzudrehen und in die andere Richtung zu schauen, wie bringe ich ichn dazu, eine bestimmte Handlung auszuführen?  Auch sind die Fragen zur Fortbewegung in der VR von großer Bedeutung, gerade für ungeübte Nutzer. Welche Maßnahmen können wir gegen Motion Sickness treffen, um ein angenehmes Nutzungserlebnis zu gewährleisten und die Akzeptanz von VR als Trainingsumgebung zu erhöhen.

Letztendlich verwenden wir für die Entwicklung unserer Applikationen die gleichen Werkzeuge und Game-Engines wie viele Spieleentwickler auch, beispielsweise Unity oder Maya.

Die Gaming-Branche nimmt eine Vorreiterrolle bei zahlreichen Technologien ein, die auch im Geschäftsumfeld an Bedeutung gewinnen. Dies betrifft den Einsatz von virtuellen Umgebungen für Showrooms oder die Schaffung virtueller Arbeitsräume zur Durchführung von Konferenzen und kooperativer Zusammenarbeit. Zudem gewinnt das faszinierende Thema der "Künstlichen Intelligenz" zunehmend an Relevanz.

Die bemerkenswerte Komplexität von Simulationen wie dem Landwirtschafts-Simulator oder dem Microsoft Flugsimulator verdeutlicht die Nähe zum Konzept des "Digitalen Zwillings". Dies wird besonders deutlich, wenn wir unsere Perspektive in Richtung des Konzepts des Metaverse erweitern. Hierbei beziehe ich mich explizit nicht auf Meta Horizon oder Sandbox. Es ist vorstellbar, dass wir uns in den kommenden 5-10 Jahren im Rahmen der Oasis treffen werden (wobei wir hoffentlich der Matrix ausweichen können).

Obwohl die Medien momentan weniger über das Metaverse sprechen, arbeiten bedeutende Akteure weiterhin an den technologischen Grundlagen für dieses Konzept. Unter diesen Akteuren finden sich Namen wie NVIDIA, Epic, Unity, Pixar, Apple sowie Meta, Microsoft und Google. In dieser Welt fungieren NFTs als wertvolle Objekte und unsere anpassbaren Avatare erhalten Skins von Sportbekleidungsherstellern. Die Abwicklung von Transaktionen erfolgt nicht länger über verschiedene, plattformspezifische virtuelle Währungen, sondern durch eine einheitliche und universell einsetzbare Kryptowährung. Dieser Evolutionsschritt ermöglicht eine reibungslose Interaktion innerhalb des Metaverse. Und dort werden wir vielleicht arbeiten und spielen.

Zum Abschluss des Interviews noch ein paar kurze, persönliche Fragen:

Nach einem anspruchsvollen Tag spiele ich gelegentlich einige Runden in Overwatch 2, allerdings spiele ich nur gegen die KI. Mich reizen auch andere Spiele, wie aktuell Baldur's Gate 3, aber ich weiß, dass sie meine Lebenszeit "fressen" werden, sollte ich einmal mit diesen Spielen beginnen. Wie früher die C&C-Reihe, die ich leidenschaftlich gerne gespielt habe.

Wir alle kennen wohl dieses Gefühl, wenn wir uns um 2:00 Uhr morgens denken: "Ach, ich schaffe noch eine weitere Mission."

Ich wollte ein berühmter Musiker werden. Dazu haben meine musikalischen Fähigkeiten bedauerlicherweise nicht ausgereicht. Heute komponiere ich gelegentlich an meinem Rechner orchestrale Trailermusik, wobei die entstehenden Stücke hauptsächlich für meine Ohren bestimmt sind.

Wobei: Ein guter Freund von mir hat eines meiner Musikstücke während eines Feuerwerks in einem Freizeitpark abgespielt. Das Gefühl, zu wissen, dass meine Musik gerade von Hunderten von Parkbesuchern gehört wird, war sehr aufregend. Anfragen von Plattenfirmen blieben aber trotzdem aus.

Zu mir selbst, als eine NVIDIA RTX 4090 im "Angebot" war. Ich interessiere mich für generative KI und hätte auch Lust, Cyberpunkt 2077 mal etwas "schöner" zu spielen (Ich habe noch eine NVIDIA GTX 1080 im Einsatz).

Aber der Preis für diese Grafikkarte ist mir dann doch zu heftig.

Ich räume abends meinen Schreibtisch frei und auf. Tastatur und Maus werden gerade ausgerichtet, Unterlagen werden weggeräumt.

Ich mag es nicht, morgens an einen unordentlichen Schreibtisch zu kommen, auch wenn ich weiß, dass die Ordnung meistens nicht lange anhält.

Wir bedanken uns bei Michael Zoll für seine Zeit und die spannenden Einblicke!

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